Mediales Bühnenbild „Der Jude von Malta“, 2002

Opernbiennale München

Das mediale Bühnenbild für die Oper Der Jude von Malta macht die interaktive Bühne zum handelnden Element, statt lediglich Ort der Handlung zu sein. Basierend auf dem Werk Christopher Marlowes, einem Zeitgenossen Shakespeares, behandelt das Libretto den Konflikt der drei monotheistischen Weltreligionen, Islam, Christentum und Judentum. Ausgangspunkte für das virtuelle Bühnenbild waren mehrere Hauptaspekte der Opernhandlung. Das Drama beginnt mit einem Prolog, in dem der italienische Schriftsteller und Protagonist Machiavelli das Stück „erschafft“. Zu Beginn des Stückes besitzt Machiavelli vollkommene Macht, doch verliert er diese im Laufe der Handlung immer mehr. Um diese Entwicklung zu vermitteln, wurde das Bühnenbild als interaktive Projektion gestaltet, die zu Beginn gänzlich von Machiavelli beherrscht wird. Je weiter die Handlung fortschreitet, desto weniger Einfluss hat Machiavelli auf das Bühnenbild.

Das interaktive Bühnenbild zeigt eine Bunkerarchitektur: eine neuzeitliche Interpretation eines einerseits schützenden, andererseits einschließenden und beengten Raumes wie eines Klosters, dem Originalschauplatz des Dramas. Um eine größtmögliche Räumlichkeit zu erzielen, wird das Bild des Bunkers nicht nur auf eine Leinwand projiziert, sondern auf mehrere große Flächen, die zueinander verwinkelt im Bühnenraum stehen. Diese Leinwände bilden die Schnittflächen durch einen virtuellen, auf der Bühne stehenden oder sich bewegenden Bunker. Durch die Auflösung des architektonischen Volumens in mehrere Schnittflächen und die Dynamisierung des virtuellen Gebäudes entsteht ein stark dreidimensionaler Eindruck, gleichzeitig bleibt die Bunkerarchitektur relativ abstrakt.

Der zu Beginn machtvolle Machiavelli interagiert mit dem Bühnenbild über die Veränderung seiner räumlichen Position und Gesten. Durch bestimmte Armbewegungen kann er den Bunker in eine horizontale Rotation versetzen oder immer wieder neue Bunkerversionen generieren lassen, aus denen er schlussendlich eine auswählt. Bewegt Machiavelli sich auf der Bühne, so verändert sich die räumliche Perspektive zum Bunker in Abhängigkeit zu seiner Position. Machiavelli ist buchstäblich Dreh- und Angelpunkt des virtuellen Bühnenbildes.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Opernhandlung ist der Wandel der inneren Zustände und Haltungen der verschiedenen Akteure. Es bot sich an, diesen Wandel auf der Bühne darzustellen, auch um das komplexe Libretto und die dekonstruierte Narration durch die visuelle Ebene zu verbinden und zu verdeutlichen. Dies wird mit einer Projektion von Texturen auf die Kostüme der Sänger erreicht. Unterschiedliche Texturen versinnbildlichen die verschiedenen Glaubenssysteme und inneren Haltungen. Beispielsweise visualisiert die Übernahme von Texturen die inhaltliche Annäherung der Akteure aneinander. Durch den Einsatz der Kostümprojektion wird zudem das Machtverhältnis zwischen Machiavelli und seinen Mitakteuren verdeutlicht. Ein Bilderkennungssystem erfasst die Silhouetten der Akteure in Echtzeit. Aus diesen Umrissen werden virtuelle Masken errechnet, durch die eine Textur auf die Sänger projiziert wird. Die Akteure können sich somit frei bewegen, und das projizierte Kostüm passt sich ihnen in Echtzeit an.

Das virtuelle Bühnenbild wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten André Werner noch während des Komponierens der Oper entwickelt. Das Projekt wurde 1999 durch die Opern­biennale München beauftragt und in 2002 uraufgeführt. Es war eine Gemeinschaftsproduktion von ART+COM und büro+staubach, unterstützt vom ZKM Karlsruhe. Co-Autoren und Entwickler: Nils Krüger, Bernd Lintermann, Andre Bernhardt, Jan Schröder, Andeas Kratky. Musik und Libretto von André Werner.