Zerseher, 1992

Ars Electronica, Linz, Österreich

Der Zerseher sieht auf den ersten Blick aus wie ein gewöhnliches gerahmtes Ölgemälde an einer weißen Wand. Verweilt der Blick aber auf diesem oder jenem Detail, beginnt sich das Bild genau an diesen Stellen zu zersetzen. Es ver­ändert sich durch die Rezeption des Betrachters.

Das Bild wird mittels einer Rückprojektion auf eine gerahmte Leinwand projiziert. Dahinter – für den Betrachter unsichtbar – steht ein Eye Tracking-System, bestehend aus Kamera, Computer und Video Tracking-Software. Die Kamera nimmt das Auge des Betrachters auf. Der Rechner analysiert dieses Bild in Echtzeit. Das Zentrum der Iris und der Reflektionspunkt eines Infrarotscheinwerfers im Auge werden erfasst. Aus diesen Daten wird der exakte Blickpunkt errechnet und die grafische Ver­änderung des Originals an eben dieser Stelle herbeigeführt. Der „Zerseh“-Prozess startet, sobald der Betrachter seinen Blick auf das Gemälde richtet. Es kehrt in seinen ursprüng­lichen Zustand zurück, wenn das Tracking-System 30 Sekunden lang keinen Blick aufzeichnet.

Ende der 1980er Jahre wurden Computer in der Kunst als Werkzeug, selten jedoch als Medium verstanden. Künstler tauschten zwar den Pinsel gegen die Maus, produzierten aber Kunst mit Computern und nicht digitale Medienkunst. Der Zerseher wurde mit dem Ziel entwickelt, die Interaktion als eine der wichtigsten Qualitäten des neuen Mediums provokativ zu propagieren.

Das für die Installation verwendete Bild, Giovanni Francesco Carotos „Knabe mit Kinder­zeichnung in der Hand”, zeigt die erste in der Kunstgeschichte dokumentierte Kinder­zeichnung – eine Metapher für den damaligen Stand der digitalen Medienkunst.