Das Gebiet steht noch am Beginn seiner Erkundung. Die Projekte River is…,Mobility und Anamorphic Mirror zeigen das Potenzial der Computational Reflectives für die räumliche Kommunikation und als künstlerisches Medium auf. Die Beschäftigung mit diesem Medium führte zu einer selbst entwickelten Software, mit der sich reflektive Installationen individuell gestalten lassen.

Mit der Gestaltung der ersten kinetischen Skulpturen wuchs unser Interesse, Kinetik mit Licht bzw. Reflektion zu kombinieren. Waren Resonance und Infinite Cube noch kinetische Skulpturen, die abstrakte Reflektionen generierten, ging Mobility (alle 2010) einen entscheidenden Schritt weiter: Die Skulptur ist konkret erzählerisch und komputativ so gestaltet, dass die Matrix aus einhundert sich drehenden Spiegeln eine abstrakte, komplexe Choreographie aus sich bewegenden Lichtpunkten an die gegenüber liegende Wand wirft, die sich dann von Zeit zu Zeit zum chinesischen Schrift­zeichen für Bewegung und Handlung formieren.

Dieser finalen Gestaltung gingen zahlreiche komputative Studien voraus, welche die Anordnung, Ausrichtung und Anzahl der Spiegel und der sie haltenden Handprothesen durchspielten. Der komputative Gestaltungsprozess vereinfachte die Entwicklung der Installation und führte zu einer Lösung, die darin bestand, auf die Bewegung der Spiegel über zwei Achsen zu verzichten. Stattdessen rotieren die Spiegel lediglich um ihre Mittelachse. Zusätzlich wurde jeder Spiegel in einem anderen Winkel angebracht. Wir entschieden uns bewusst für eine Matrix, die nur den für den spezifischen Ort entwickelten Inhalt kommunizieren kann, und gegen ein System mit einem großen Darstellungsspektrum.

Anamorphic Reflections

2010 wurde ART+COM beauftragt, ein Kunstwerk zu gestalten, das die Besucher des Frankfurter Hauptsitzes der Deutschen Bank vom Foyer in den ersten Stock leitet. Die räumliche Limitation, aber auch die gute Sichtbarkeit des Ortes aus verschiedenen Perspektiven führten rasch zu der Idee, eine optische Arbeit zu entwickeln, die sich mit der Bewegung des Betrachters durch den Raum verändert.

Das erste Konzept basierte auf einem refraktiven Glaspanel, durch das nur von einem bestimmten Betrachtungswinkel aus das geometrische Logo sichtbar wird, das als dekonstruiertes blaues Muster auf der dahinter liegenden Wand angebracht ist. Dies wurde letztendlich verworfen, da die refraktive Glasfläche eine große Tiefe hätte aufweisen müssen, um das Zeichen dem Raum angemessen groß darzustellen, und da dies in der Produktion zu kompliziert und kostenintensiv gewesen wäre. Letztendlich setzte sich das Konzept des Anamorphic Mirror (2011) durch, dessen stark facettierte Spiegelfläche blaues Licht reflektiert, das auf die gegenüberliegende Wand gerichtet ist. Bewegt man sich auf das Kunstwerk zu, sieht man scheinbar chaotische blaue Reflektionen, die mit jedem Schritt anders erscheinen. Nur von dem Sweet Spot auf der Treppe aus ist dann das blaue Logo erkennbar.

Der Weg zu dieser Lösung führte über einen wesentlich komplexeren Entwurf, der vorsah, dass die Spiegelfacetten konkrete, blaue Farbflächen reflektieren, die präzise positioniert auf die umgebenden Wände aufgebracht sind. Die einfachere und effektivere Lösung lag in der Projektion von blauem Licht auf die gegenüberliegende Wand. Die Spiegelfacetten wurden komputativ so ausgerichtet, dass das Zeichen von einem Punkt auf dem oberen Treppenabsatz aus lesbar ist. Schreitet der Besucher die Treppe hinauf, sieht er mit jedem Schritt ein neues Bild, sodass sich mit der Bewegung eine Art filmische Narration des Raumes entwickelt, die schließlich im Zeichen mündet.

Aus dem Konzept des Anamorphic Mirrors entwickelte sich die temporäre Installation Les Eclats Dans L’Oeil (2013), die im Les Bains in Paris ausgestellt wurde.  Eingeladen, innerhalb kürzester Zeit ein ortsbezogenes Kunstwerk zu realisieren, experimentierten wir mit dem Prototypen, der für Anamorphic Mirror angefertigt worden war. Daraus entstand schließlich die Installation, die vom Sweet Spot aus gesehen eine dekonstruierte und auf den Wänden verteilte Zeichnung im Spiegelobjekt synthetisierte.

Anders als beim Anamorphic Mirror bestimmte hier das bereits existierende, facettierte Spiegelobjekt die Anordnung der Bildstücke im Raum. Entsprechend musste diese nicht berechnet werden, sondern konnte allein durch die Projektion des Bildes vom Sweet Spot auf den Spiegel ermittelt werden. Für den Anamorphic Mirror hingegen wurden die Formen und Winkel der einzelnen Spiegelfacetten auf der Basis des darzustellenden Logos und der Raumparameter komputativ berechnet. In der Folge entwickelten wir ein Software-Paket, das es uns ermöglicht, facettierte Spiegelskulpturen selbst für komplexe Räume sowie mehrere synthetisierte Bilder und Sweet Spots zu gestalten.

Encoded Surfaces

Zum Zeitpunkt der Gestaltung der Installation River is… (2012) war Rapid Manufacturing soweit entwickelt und technisch beherrschbar, dass dessen Einsatz auch ökonomisch sinnvoll wurde, um beispielsweise komplexe Oberflächen zu herzustellen. River is… hat seinen konzeptionellen Ausgangspunkt in dem Prinzip der Lichtbrechung auf Wasseroberflächen, der Kaustik. Dies war eine kontextbezogenen Entscheidung, die uns aber auch die Möglichkeit gab, wieder mit Reflektion zu arbeiten. Die 23 m2 große, verchromte und hochkomplexe Facettenoberfläche stellt eine abstrahierte Momentaufnahme eines Flusses dar. In die Oberfläche sind koreanische Schriftzeichen einkodiert, die erst mit Hilfe von gerichtetem Licht als Reflektion an der Wand lesbar werden. Ausstellungsbesucher sind aufgefordert, die Oberfläche mittels Stablampen zu erkunden und so die „kodierten“ Stellen zu finden, die die Schriftzeichen an die Wand reflektieren.

Nach der ersten Konzeptionsphase wurden schnell erste Prototypen gebaut, die darüber Aufschluss gaben, wie hoch aufgelöst die Spiegeloberfläche sein muss, um in der Reflektion ein Schriftzeichen formen zu können. Es folgten 3D Renderings und schließlich die komputative Gestaltung und die Fräsung der facettierten Bodenplatten, die mit Silber überzogen wurden.