Virtuelle Medizin, 1988-1995

Die „virtuelle Medizin“ war einer der Forschungsschwerpunkte der Anfangsjahre von ART+COM, unter dem sich verschiedene Forschungsprojekten zusammenfügen, im Rahmen derer ART+COM die 3D-Visualisierung  von CT- und MRT-Daten sowie die Simulation von Behandlungsräumen und -prozessen verfolgte.

1988 startete Vidimed, abgekürzt für die Visualisierung digitaler medizinischer Daten, eine gemeinsame Forschungsreihe mit dem Berliner Rudolf-Virchow-Universitätsklinikum, in der ART+COM CT- und MRT-Daten für die Diagnostik und Operationsplanung dreidimensional visualisierte.

Die damalige Vision war es, komplexe Eingriffe mittels VR zu simulieren, um so optimale minimal-invasive Operationswege und -abäufe im Vorfeld zu ermitteln und auf Basis der durch die Simulation gewonnen Erkenntnisse besser planen zu können. Zudem sollten die 3D-Echtzeitvisualiserungen die Telemedizin – also die ferngesteuerte Diagnostik und Operation – ermöglichen und beim chirurgischen Training zum Einsatz kommen.

Während es in dem ersten Projekt um die Früherkennung von Bandscheibenvorfällen ging, erforschte das zweite Projekt die Ferndiagnose sowie die Planung und Durchführung minimal-invasiver Eingriffe ins Gehirn. Im Zentrum stand hier die Visualisierung der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit im Ventrikelsystem.

In einem weiteren Vidimed-Projekt konzentrierte sich ART+COM auf die Simulation von Gesichtern, ihrer individuellen physischen Struktur und ihrem Ausdrucksspektrum. Ziel war die Planung operativer Eingriffe bei an kraniophazialer Dysplasie leidenden Patienten. Für dieses Projekt entwickelte ART+COM ein System an Software-Werkzeugen, das eine teilautomatische Segmentierung unterschiedlicher Strukturen wie Flüssigkeiten, Knochen und Muskeln ermöglichte. Forschungsgegenstand des Folgeprojekts war die Simulation und Visualisierung des Blutflusses in Arterien für Echtzeit-VR, um die Analyse des Strömungsverhalten für die Früherkennung von Trombosen zu ermöglichen.

Ab 1993 erforschte ART+COM zusammen mit dem Mainzer Universitätsklinikum die Vision eines durchtechnisierten Operationssaales, in dem viele der Erkenntnisse aus den Vidimed-Projekten mit einflossen. So resultierte das Forschungsprojekt OP 2015 in dem Entwurf eines virtuellen Operationssaales, in dem stereotaktische Hirnoperationen, also minimal-invasive Operationen und Strahlentherapie, durchgeführt werden können sollten. In diesem „Operationssaal der Zukunft“ sollten Eingriffe ausschließlich mittels robotischer Instrumente erfolgen.

Damals waren Visualisierungen in 3D in erster Linie von der verfügbaren Rechnerleistung begrenzt – heute ist ein Großteil der damaligen Technikvisionen medizinischer Alltag geworden. Die interdisziplinären Forschungsaktivitäten ART+COMs waren Teil visionärer Forschungsarbeit, deren Relevanz sich mit den heutigen Medizintechniken bestätigt hat.