Composing the Lines, 2003

Jüdisches Museum Berlin

Als Daniel Libeskind das Jüdische Museum Berlin entwarf, nannte er dieses Projekt „Between the Lines“ und spielte damit auf die seinen Entwurf prägenden Aspekte an. Ein Ausgangspunkt für die Architektur des Museums waren die Verbindungslinien zwischen Orten jüdischen Lebens in Berlin. Aus dieser unsichtbaren, irrationalen, geografischen Matrix entwickelte er ein Alphabet architektonischer Formen für das Museum.

Anlässlich der Retrospektive Daniel Libeskinds im Jüdischen Museum Berlin entstanden die beiden Installationen Behind the Lines und Composing the Lines, welche die wesentlichen Aspekte der Museumsarchitektur auf unterschiedliche Weise illustrieren.

Behind the Lines dient der reinen Informationsvermittlung, wohingegen Composing the Lines eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Libeskindschen Architektur darstellt: Sie ist im Vergleich deutlich mehrschichtiger, weniger leicht zu dechiffrieren und referiert auf den engen Zusammenhang, der zwischen der Museumsarchitektur und der Musik Arnold Schönbergs besteht.

Nach eigener Aussage hat Libeskind mit seiner Architektur des Jüdischen Museums in Berlin Schönbergs unvollendete Oper Moses und Aron vollendet. Das zentrale Thema der Oper ist die Suche nach der Darstellbarkeit des Nicht-Darstellbaren. Dieser Herausforderung sah sich Libeskind im Hinblick auf die nicht mehr vorhandene Präsenz jüdischer Kultur und den kaum darstellbaren Holocaust gegenüber. Das Formenalphabet, welches er aus dieser Fragestellung heraus schuf, und die Gesetzmäßigkeiten der von Schönberg entwickelten Zwölftonmusik dienen Composing the Lines als Grundlage für einen interaktiven, audiovisuellen Architekturgenerator.

Die Installation besteht aus einem Touchscreen und aus einer zweiteiligen Projektionsfläche. Der Nutzer setzt durch die Berührung des Touchscreens intuitiv zwölf Töne, die einzelnen Formen eines der sieben visuellen Alphabete der Museumsarchitektur zugeordnet sind. Diese Tonfolge wird dann nach den Durchführungsprinzipien der Zwölftonmusik umgekehrt, gespiegelt und umgekehrt gespiegelt, entsprechend der vier Modi: Reihe, Umkehrung, Krebs und Krebsumkehrung. In der Projektion werden diese zweidimensionalen Elemente in eine dreidimensionale Reihe gesetzt und abgespielt, sodass die Komposition als Sound-Architektur erlebbar wird.

Die künstlerische Installation Composing the Lines verweigert sich bewusst dem einfachen Verständnis. Zwar sind die Interaktionsprinzipien intuitiv erfassbar, jedoch ist die Installation vor allem ästhetisch und assoziativ erfahrbar. Eine vollständige Dechiffrierung im Sinne einer Lesbarkeit wird vermieden, sodass der Nutzer zu einem intensiven und freien Denk- und Schaffensprozess angeregt wird.