Kommunikative Stadtplanung, 1988-1996

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ART+COMs Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre lag auf der Entwicklung eines vernetzen Datensystems, das im Rahmen städtebaulicher Planungen eingesetzt werden konnte. Die Forschungsreihe war von der DeTeBerkom zur Entwicklung von Diensten und Anwendungen für zukünftige Breitbandnetze beauftragt.

Das System sollte dezentral arbeitenden Architekt*innen, Städteplaner*innen, Ingenieur*innen und Verwaltungen den Zugriff auf alle verfügbaren Informationen zu einem städtebaulichen Objekt oder Areal ermöglichen, inklusive 3D-Echtzeitvisualiserungen und Prozesssimulationen, um planerische Entscheidungen zu erleichtern.

In dem Forschungsprojekt „Neue Medien im Städtebau“ entwickelte ART+COM eine vernetzte Bilddatenbank, auf die alle Planungsbeteiligten zugreifen konnten. Ziel war, mithilfe von 3D-Visualisierung und Simulation sowohl den Ist-Zustand als auch die möglichen Bebauungsvarianten virtuell erfahrbar zu machen. Zudem konnten städtebaulich relevante Faktoren wie Thermik, Lärm, Verkehrsfluss, Licht/Schatten und Luftverschmutzung kalkuliert und simuliert werden.

Das entwickelte System wurde auf eine konkrete Planungsaufgabe angewendet: Die Visualisierung und Simulation des neuen Berliner Regierungsviertels, dessen städtebauliche Planung mit dem Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin anstand. ART+COM beteiligte sich 1992 mit einem eigenen Entwurf am internationalen städtebaulichen Ideenwettbewerb Spreebogen, der zum Ziel hatte, die wichtigsten Parlaments- und Regierungsbauten an diesem Ort zu versammeln. Der von ART+COM eingereichte Vorschlag sah vor, die zentralen Regierungsbauten auf einer künstlichen Spreeinsel zu bauen. Bei der Entwurfsentwicklung und dreidimensionalen Darstellung kam das eigene System zur Anwendung. Der Entwurf schaffte es auf den 10. Platz von über 800 Einreichungen und wurde angekauft.

Die ersten beiden Gewinnerentwürfe wurden in das virtuelle Stadtmodell integriert und auf der CeBIT 1993 als stereoskopische Projektion und aus Berlin nach Hannover über Breitbandverbindung übermittelt präsentiert. Ein Präsentator, der von zwei Stereokameras in Berlin aufgenommen und in das Stadtmodell hineinprojiziert wurde, führte mithilfe eines Joysticks die mit Polarisationsbrillen ausgestatteten Zuschauer in Hannover durch das virtuelle Berlin. Sein Partner in Hannover konnte sich ebenfalls in Echtzeit im Modell bewegen. Auf diese Weise fand erstmals ein telematisches Treffen zweier voneinander entfernten Personen in einem virtuellen Raum statt, der gemeinsam erlebt, verändert und gestaltet werden konnte.

Daneben wurde eine virtuelle, vernetzte Planungsplattform für die U-Bahn-Station Potsdamer Platz entwickelt, die 1961 geschlossen und nach der Wiedervereinigung neu geplant und gebaut wurde. Pläne, Texte, Filme, Videos und computeranimierte Visualisierungen des Areals waren im virtuellen Modell abrufbar.

Innerhalb der Forschungsreihe entwickelte ART+COM außerdem einen Radiosity-Renderer zur 3D-Simulation von komplexen, sich verändernden Lichtsituationen. Im Gegensatz zu konventionellen Computeranimationssystemen basierte das Programm auf einer polygonalen Beschreibung des Ortes und seiner leuchtenden Oberflächen, woraufhin der Lichttransfer von einem Polygon zum nächsten berechnet werden konnte. So konnten die unterschiedlichen Lichtintensitäten in einem Raum an die Perspektive der Betrachter*innen angepasst werden. Besonders realistisch wirkten die Lichtsimulationen durch die Berechnung und Darstellung weicher Schatten und indirekt beleuchteter Oberflächen. Den Vertrieb der Softwarelizenz des Radiosity-Renderers übernahm bis 1993 Jaron Laniers Firma VPL Research.